Danke für die Welt der kleinen wunderbaren Dinge oder GeRECHTigkeit

Immer wenn ich hier spazieren gehe bleibe ich ratlos an der Kreuzung stehen als wüsste ich nicht, welche Straße ich dieses mal einschlagen würde.
Seit Jahren nun die gleiche, alte Pflastersteingasse; in der viele meiner Gedanken gedacht, viele meiner Wünsche geträumt. Immer wieder führen mich meine ziellosen Wanderungen an diese Stelle. Station 1: 3. Welt Laden. Hier bin ich, schreibe, und plädiere für Freiheit und Gerechtigkeit für den Geist; wenigstens.
Glasperlen zwischen Guatemala und Peru, ein Hut, ein Stock, ein Regenschirm. Bunte Tücher und eine Hängematte aus Bast, Kerzenständer zwischen Haferflocken und Afrikabüchern. Ich liebe diesen Gerechtigkeitsladen der Welt; und fast tut es mir leid, dass meine Geldtasche stets leer ist, mein Mund trocken; dass ich oft nicht einmal freundlich wirke. Wie denn auch immer nett sein, wenn das Leben so ganz und gar nicht leicht erscheint. Wenn ich gerade in Wut gerate weil ich (die mir zustehende [?]) Anerkennung wieder nicht bekam oder weil sich das Leben gerade so unglaublich seicht und oberflächlich anfühlt. Wenn ich in tiefster Trauer versunken an Menschen denke, die mich einmal verlassen haben. Wenn ich verwirrt bemerke, dass mein gut gemeintes Lächeln als Schikane aufgefasst wurde und wenn ich einstehen will für eine Gerechtigkeit, die es nicht gibt.

Es ist leicht oberflächlich ein Friede, Freude, Eierkuchen - Spiel zu leben und bei den wirklich wichtigen Dingen die Augen zu zu drücken. Es ist leicht ewig von Frieden zu reden und doch nur nach noch mehr Besitz zu streben. Es ist leicht ständig über die Medien zu schimpfen und Tag und Nacht vor dem Fernseher verbringen. Es ist leicht zu sagen "hey, ich kann nichts dafür, ich wurde verlassen" und nicht auch bei sich selbst nach Fehlern zu suchen. Es ist leicht zu bemerken: Die Welt kannst du nun mal nicht ändern, es ist leicht hoffnungslos, resigniert und deprimiert über Regentage zu jammern. Es ist leicht Schwache noch schwächer zu machen, es ist leicht dahin zu vegetieren und sich nach Mitleid zu sehnen.
Dieser kleine Laden scheint wie der Nabel der Welt; alles fügt sich in ein einheitliches, buntes, fröhliches Bild. Wie viele Tränen wurden für diese Dinge vergossen, wie viele Stunden damit verbracht? Ich habe nur sehr ungenaue, verschwommene Vorstellungen vom Leben eines Menschen in Mali oder Bangladesch. Und da man das Leben eines Menschen sowieso nicht aufgrund einer Nationalität in eine Norm pressen kann ... zumindest ich kann nicht sagen, ich führe ein typisch österreichisches Leben. Nein, ich glaube nicht.
Alles hier scheint so kraftvoll, als wären hier die starken Wurzeln der Welt. Weg von den kahlen, weißen Wänden von Hartlauer und Merkur, weg von den schwachen zivilen Produkten in eine andere Welt. In diesem Laden bei den Traumfängern; in diesem Laden von dem ich hoffe, dass er für Wahrheit und Gerechtigkeit steht, von dem ich hoffe dass er nicht auch bloß eine Lüge verkauft.

Danke für die Welt der kleinen wunderbaren Dinge vor meinen Augen, denke ich. Meine Taschen sind leer und obwohl ich bestimmt nichts von all dem brauchen würde, tut es mir leid dass ich nicht das geringste dafür geben kann, hier gewesen zu sein, geträumt zu haben; im Grunde doch all diese Dinge gehabt zu haben. Hier gewesen sein und die Erinnerung mitnehmen; mehr will ich gar nicht für mich.
Menschen, die konnten und können was mir schwer fällt oder wozu ich erst gar nicht fähig bin haben mich immer angezogen. Nicht, dass ich gerne anders wäre als ich bin. Der 4t Klässler mit buntem Hemd, lockigen Haaren und dem Gang, der beinahe an Fliegen erinnerte. Meine Freundin die so begeisternd erzählen kann und so lebendig und energievoll da ist. Männer die sich vom Durchschnitt abheben und deren Geist spürbar ist. Ich war immer ruhig und im Hintergrund. Bin ich auch jetzt. Manchmal gibt es dann doch jemand, der meine Begeisterung auch erwidert. Nein, gut bin ich wahrscheinlich nicht. Es ist leicht sich immer vor etwas drücken; Entscheidungen vor sich her zu schieben. Es braucht sehr viel Mut für das, was ich sage, auch zu stehen. Meistens hab' ich wohl andere für mich entscheiden lassen; aus Bequemlichkeit und Gelegenheit; oder was weiß ich. Wenn man nie in die falschen Situationen kommt, ist es relativ leicht "gut" zu sein. Dass es uns selbst nicht weiter bringt, ist klar.
Meine Gedanken drehen sich immer wieder nur um dich; selbst hier in diesem Laden, an der Kasse, in der Englischstunde, abends vor dem Einschlafen. Und ich denke: "Hey, Marietta, konzentrier' dich auf dich und lass erst mal alte Wunden heilen." Und dann bin ich doch wieder froh dass ich das nicht schaffe.

Ich will für Gerechtigkeit auf unserer Erde einstehen, ich will nicht mit hirnlosem Scheiß am Rednerpult stehen. Ich will nicht Fortschritt und und Geld an die erste Stelle heben; ich will nur aus dem Geschenk Leben ein schönes, buntes Muster weben.
Danke für die Welt der kleinen wunderbaren Dinge vor meinen Augen, denke ich. Könnte ich glücklicher sein als hier und jetzt mit Gedanken an Menschen die mich bewegten und einigen Zukunftsträumen? Was ist Gerechtigkeit ... dankbar dafür zu sein, dass ich die Arme ausstrecken kann, dass mich meine Beine tragen, dass ich Menschen liebe, dass ich frei bin hier und jetzt? Was ist Gerechtigkeit ... Gedanken die mich in Tränen ans Bett fesseln, und eine Stimme in mir die mir sagt, der Obdachlose vor mir hat Recht auf die gleiche Bedienung in der Bank? Gedanken an Menschen die noch in Wellpappenhäusern wohnen oder jenen deren geistiges Zuhause noch ärmlicher ist?

Ich schüttle den Kopf. Schleimig klingen die klugen Worte; als würde ich wissen, was ich nicht weiß, als würde ich verstehen, was ich nicht verstehe. Es ist leicht sich groß zu geben und schwer Schwächen zu zeigen. Manchmal ist es sogar schwierig einen klaren Gedanken zu fassen, und dafür auch zu stehen. Das ist einfach nur so niedergeschrieben und gar nicht überdacht, werde ich dann zur Verteidigung sagen. Wer hat heute noch Zeit zu überdenken .... und ich weiß verdammt noch mal wirklich nicht ob ich auf dem richtigen Weg bin. Im Grunde weiß ich verdammt wenig, nicht einmal, weshalb ich jetzt hier bin und schreibe; schreibe als wär' ich süchtig danach, schreibe als wüsst' ich was wirklich Bedeutvolles zu sagen.
Gerechtigkeit erscheint mit Allmächtigkeit, denke ich. Ich lächle der Verkäuferin zu, die gerade zur Mittagspause aufbricht. Verabschiede mich und ziehe weiter, vorbei an der Kunstgallerie, vorbei an den Seelenwerken zu meinem Platz hinter den Bücherregalen. Ich bin oft hier und lese im Geschäft, als wär's mein Zuhause. Warum nicht. Es ist bloß ein wenig Leben, Heil und Segen. Vielleicht auch nur dieses oberflächliche Friede Freude Eierkuchen - Spiel, dass sich wie Luft anfühlt.
Ich will für Gerechtigkeit auf unserer Erde einstehen, ich will nicht mit hirnlosem Scheiß am Rednerpult stehen. Ich will nicht Fortschritt und und Geld an die erste Stelle heben; ich will nur aus dem Geschenk Leben ein schönes, buntes Muster weben.
Danke für die Welt der kleinen wunderbaren Dinge vor meinen Augen, denke ich, hier bei den Träumfängern an den Wurzeln der Welt.